„Auf der Pirsch”
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LAUSCHER
Forest Songs, Travel Songs, Folksongs, Protestsongs and other Stories
LAUSCHER - Two voices, Musical Saw and Waldzither
The German Folk Duo LAUSCHER plays Folk on the streets and stages all around Europe.
LAUSCHER have surprising instruments in their luggage.
Dominique M. Täger plays the Waldzither, a relatively unknown instrument of the early 20th century.
For several years, Christine Walterscheid plays the musical saw, from which she lures out heartwarming tones with a violin bow.
Complemented are German original compositions by folk songs LAUSCHER collect on their travels through various countries and songs from their "Heimat" Germany.
After LAUSCHER have earned a name in their native folk scene, they now are powered by the curiosity about music, history and people of other countries.
They live in a converted Mercedes van (Düdo) and tour Europe with their dog - always looking for new songs.
Discography:
2009 - LAUSCHER „Von Ungeheuern“ (LP)
2011 - LAUSCHER „Auf der Pirsch“ (LP)
2012 - DOMINIQUE M. TÄGER "Wind auf deiner Asche" (Buch)
2013 - LAUSCHER | TRIPP „Geflüstertes Hamm“ (LP)
2014 - DOMINIQUE M. TÄGER "Herbstspaziergang mit Weib" (LP)
2016 - LAUSCHER „Alles fühlt“ (LP)
2016 - KUNDE WALDZITHER (LP)
2016 - LAUSCHER "Alles fühlt Vol.2 (LP)
2008
-Sommer, Gründung von Lauscher
-Herbst, erstes Küchenkonzert
-erstes öffentliches Konzert in Essen
-Winter, Beginn der Aufnahmen zum Debut-Album „Von Ungeheuern“
2009
-Veröffentlichung des Albums „Von Ungeheuern“
-Ostsee-Straßenmusik-Tour
-diverse Konzerte
-persönliches Highlight des Jahres: Anruf von Tom Liwa
2010
-Beginn der Aufnahmen „Auf der Pirsch“
-diverse regionale und überregionale Konzerte als Duo und zum ersten Mal mit Gastmusikern und Tänzerin Maja
-persönliches Highlight des Jahres: Teilnahme an der „Magical-Mystery-Ruhr-Tour im Herbst (Ruhr 2010)
2011
-Arbeit an Album „Auf der Pirsch“ mit Gastmusikern, Covergestaltern
-Lauscher organisiert das erste Mal den „KunstPelz“, ein Straßenkunstfestival im Hammer Tierpark
-Herbst, Veröffentlichung „Auf der Pirsch“ mit schöner Release-Party
-Lauscher ist mit einem Song auf dem „Rolling-Stone“-Sampler vertreten
-diverse Konzerte
-persönliches Highlight des Jahres: Die geile Release-Party, auf der gefühlte 376 Gastmusiker dabei waren
2012
-Lauscher ist mit einem Song auf dem Folklorum-Sampler vertreten
-Dominique veröffentlicht sein Buch „Wind auf deiner Asche“ (Lektora-Verlag)
-Übernahme des „Hammer Poetry Slam“ (bis 2015)
-diverse Konzerte
-persönliches Highlight des Jahres: Folklorum-Festival in Görlitz
2013
-Tine kauft sich ihre erste „richtige“ Säge
-Lauscher ist mit einem Song auf dem „Liedermachermassaker“-Sampler vertreten
-Veröffentlichung des Albums „Lauscher|Tripp - Geflüstertes Hamm“ mit Hangspieler Jaron Tripp
-Wohnzimmerkonzerte-Tour mit Jaron Tripp
-diverse Konzerte und Lesungen
-persönliches Highlight des Jahres: Rote-Bete-Eintopf während der Aufnahmen zu „Geflüstertes Hamm“
2014
-Fortsetzung der Wohnzimmerkonzerte-Tour mit Jaron Tripp
-Dominique ergattert eine Waldzither
-diverse Konzerte u.a. auf Friedensdemos und Festivals
-Veröffentlichung von Tägers Solo-Album „Herbstspaziergang mit Weib“ , Gedichtvertonungen
-persönliches Highlight des Jahres: unser Mercedes 508 „Michel“
2015
-Europa-Straßenmusik-Tour durch Deutschland, Polen, Tschechische Republik, Österreich, Ungarn, Kroatien, Italien, Frankreich, Spanien
-Teilnahme am European Musical Saw Festival Vienna
-diverse Konzerte in Deutschland, Polen, Österreich, Kroatien, Italien und Spanien
-persönliches Highlight des Jahres: DAS GANZE JAHR
2016
-Fortsetzung der Europa-Straßenmusik-Tour
-Veröffentlichung des Albums „Alles fühlt“ in Spanien
-diverse Konzerte
-Veröffentlichung des Albums "Alles fühlt Vol.2" in Deutschland
-Wintertour Spanien und Marokko 2016/2017
Barfußlaufend in einer Natur-Hippie-Musiker-Fotografen-Öko-Peaceler-Familie aufgewachsen, lernte ich schon früh, dass Kreativität nicht mit einem Pinsel oder einem Instrument in der Hand beginnt, sondern überall greifbar in der Luft hängt. Ich vergrub mich unter Büchern, doch so sehr ich auch zu fliehen versuchte – die Kreativität packte mich. In jeder gedankenverlorenen Minute ertappte ich meine Zunge dabei, wie sie Worte und Laute bildete, ohne dass mein Hirn sie steuerte.
Meine Hände formten aus Lehm und Sand fremdartige Gebilde, und einen Stift in der Hand schrieb ich plötzlich Texte, Geschichten, verrückte Ideen. Wo sollte das nur hinführen?
Ich landete auf einer sogenannten weiterführenden Schule. Weit führte sie mich nicht wirklich: Die Kunstlehrerin gab mir für meinen Elefanten aus Ton eine vier MINUS, ich habe ihr nie verziehen. Mein Elefant hatte zerfledderte Ohren und ganz viele Falten. Wenn ich eine bessere Note hätte haben wollen, hätte er glatt sein müssen wie ein Babyarsch und er hätte besser gelächelt und große lustige Kulleraugen gehabt – wie so ein richtiger Elefant eben aussieht!
Die Musiklehrer unserer Schule waren miteinander verheiratet und sahen genau gleich aus. Ich überlegte manchmal, wenn ich mich im Musikunterricht langweilte, und ich langweilte mich IMMER im Musikunterricht, ob die beiden wohl Geschwister sind und ein inzestuöses Verhältnis haben – vielleicht sogar Zwillinge. Bei einem Schulfest brachten sie dann einmal ihren Sohn mit, der sah ganz genauso aus. Da hatte ich dann wieder etwas, womit ich mich beschäftigen konnte, während es im Musikunterricht um dröge Musiktheorie ging und darum, ob eine Klarinette ein Holz- oder ein Blechblasinstrument ist. Mir war das egal – ich wollte Musik nur hören oder SELBER MACHEN.
Zu Hause hatten wir einen Vierspurrekorder – so einen, in den man eine Kassette reinschiebt und dann nacheinander oder gleichzeitig vier Instrumente aufnehmen konnte. Dann konnte man das aufgenommene auf eine Spur legen und hatte wieder drei Spuren frei.
Ha! Da konnte ich mich austoben. Keyboard, Gitarre, Flöte, Trommeln. War ja alles da! Und natürlich meine Stimme. An meiner Stimme hatte ich besonders Spaß und die Texte waren egal.
Hauptsache Klänge und Laute und dann zwei-, drei-, vierstimmig. Skurriles Zeug! Schade, dass davon nichts mehr existiert. Avantgarde pur!
Bei so viel Interesse an der Schule blieb ich natürlich sitzen und direkt am ersten Tag in der neuen Klasse kam in der Pause ein Mädchen auf mich zu und fragte: "Kannst du singen?" ich antwortete: "Ja.". Und sie erwiderte: "Sing mal!". Ich sang irgendwas. "Ok, hast du mittwochs Zeit?". Das war mein erstes Casting.
Tina wurde für viele Jahre meine beste Freundin und ich kam zu der großen Ehre bei den Knallfröschen mitsingen zu dürfen, ein angesagter rockiger Kinderchor mit Auftritten im Radio und im Fernsehen und beim Bundeskanzler – damals noch Kohl. Außerdem lernte ich trommeln (afrikanisch und südamerikanisch) auf Djembés und Congas. Das war toll! Hier konnte ich meine Linkshändigkeit voll auskosten. Mein Hirn brannte von den schnellen Wechseln, vom gleichzeitigen Lauschen auf die anderen Trommelstimmen und das Einbringen der eigenen, die wechselnde Dynamik, angezogenes Tempo, Trance.
Mit 17 zog ich dann raus in die Welt der Punks und Hausbesetzer. Mit Musik war da nicht viel. Dafür entdeckte ich die bildende Kunst für mich. Ich konnte alles gebrauchen, verwenden, umwandeln in etwas Schräges oder Nützliches. Not macht erfinderisch und so wurde ich zur Meisterin der Improvisation.
Ich baute Regale, Stühle, Schaukeln oder Lampen aus alten Bäckerei-Utensilien vom Sperrmüll, aus Ästen und Federn, aus alten Katzen-Kratz-Bäumen und aus meinen eigenen Dreads. Ich malte mit kaputten Filzstiften, Nagellack, Henna-Paste, alles was ich finden konnte. Meist auf Wände, denn Papier hatte ich nicht.
Zu der Zeit begegnete ich meiner Hündin. Sie begleitete mich die nächsten 16 Jahre überall hin. Wer mich ohne Lissi traf, machte sich direkt Sorgen um sie, so verwachsen waren wir miteinander. Zwischendurch bekam ich einen Bass geliehen, den ich von da an regelmäßig malträtierte, auch als ich Mutter wurde, und auch als sich zu dem einen Kind noch zwei kleine Menschen gesellten. Diese Menschen sind inzwischen gar nicht mehr so klein. In der Zeit ihrer Kindheit hatte ich mehrere kleine Bandprojekte, die zwar nie auf die Bühne gingen, aber dennoch wichtig waren für alle Beteiligten.
2007 traf ich Dominique nach ca. 15 Jahren wieder. Mit 14 war ich total verknallt in ihn, aber in dem Alter sind 2 Jahre Altersunterschied gewaltig, zumal er schon eine kleine Berühmtheit in unserem Ort war. Er hatte ja sogar schon mal in der Bravo gestanden! So schmachtete ich aus der Ferne und beobachtete in den folgenden Jahren, was er so trieb. Irgendwann war er weg. Nach 15 Jahren also treff ich den Typen wieder. Zack, erwischt!
Wir kamen erst auf die Idee zusammen Musik zu machen, nachdem wir schon über ein Jahr zusammen gelebt haben. Verrückt. Zwei Musiker die zusammen leben und nie zusammen musizieren. Nein, nicht verrückt. Bescheuert! Einmal gestartet, ging alles ganz schnell. Proben, Auftritte, Aufnahmen, Proben, Auftritte, Aufnahmen, Cajon spielen, singen, Cajon spielen, singen, äh, ja, undsoweiter.
Ich hatte schon seit Meret Beckers Straßenmusikauftritt in „Kleine Haie“ den Wunsch, einmal Singende Säge zu spielen. Vor einigen Jahren bekam ich dann eine zum Geburtstag geschenkt. Die war allerdings extrem schwer spielbar und somit setzte ich sie lediglich als Effekt und Gruselgeräusch ein – vor Allem bei der Begleitung von Dominiques Lesungen.
Als ich dann 2013 bei der Leipziger Buchmesse spielen sollte, durfte ich die Säge nicht mit in die Hallen nehmen, weil sie Zähne hatte und als Waffe(!) hätte benutzt werden können. Also musste eine ohne Zähne her. Ich wurde im Internet fündig und bestellte mir eine Säge bei Ralph Stövesandt, der Musiksägen verkauft und auch selbst Säge spielt.
Von da an war ich nicht zu halten. Es öffnete sich eine riesige Tonwelt, die mich von da an nicht mehr losließ. Auch in der Punk/Heavy/NDW-Band „Das SYSTEM“, die Dominique und ich gründeten, kam die Säge zum Einsatz. Yay! Zum ersten Mal kamen hier übrigens auch einige meiner eigenen Texte auf die Bühne. Für Punk reicht meine Schnoddersprache nämlich dann doch aus!
Achja, das Theater hab ich vergessen, zu erwähnen. Dabei war ich bei drei Produktionen der Theatergruppe Lampaca beteiligt, die von uns Schauspielern und der Regisseurin und Thaeterleitung Melanie Kalb zum Teil aus Improvisationen heraus geschrieben wurden und größtenteils ohne einstudierte Texte über die Bühne gingen. Großer Spaß! Vor allem die Ausarbeitung der Figuren, Kostüme, verworrenen Beziehungskonstellationen und - ganz wichtig – Bilder, die wir mit unserer Darstellung in die Hirne der Zuschauer malten, erforderte einiges an Bescheuertheit von uns!
Letztens gab es dann einige aufregende Momente: Eine einjährige Straßenmusik-Europareise führte uns Lauscher durch über zehn Länder, u.a. nahmen wir am European Musical Saw Festival in Wien teil. Das war das erste Mal, dass ich andere Sägenspieler kennenlernen durfte (das eine Mal, als ich neben Meret Becker saß und vor Aufregung keinen Ton herausbrachte mal nicht mitgezählt), und dann waren es jetzt so viele international gefeierte Koryphäen. Wow!
Na, das kann ja noch was werden!
Fortsetzung folgt…
Die ersten dreißig Jahre Lebensjahre des Wanderdichters und Liedkomponisten Dominique M. Täger standen stets auf Messers Schneide.
Sind die Kinderjahre noch geprägt von einem hehren familiären Urvertrauen, verbringt er die übrige Zeit seines jungen Lebens damit, dieses Urvertrauen zu suchen, als sei es fort. Der Wanderdichter geht deshalb, um etwas zu suchen und findet es dann doch daheim. Gehen muss er aber, soviel steht fest.
Und so kämpft er sich durchs Unterholz seiner eigenen betrieblichen Wildnis, begibt sich in Todesnähe und dann zu LAUSCHER.
1972 in Stuttgart geboren, kehren seine Mutter und er nach dem Selbstmord des kleinkriminellen Vaters in den Schoß der Familie zurück - und damit nach Hamm.
Trotz der Kommunistenhatz in jener dunklen Zeit, der alleinerziehenden Mutter werden RAF Kontakte vorgeworfen, ist der Halt in der Bergarbeiter-Familie mit ihren sieben Geschwistern fest und sicher. Die siebziger Jahre bis zum Beginn der grausamen Achtziger verbringt der strohblonde Junge mit den braunen Schneidezähnen, die von einem Sturz einen Hochsitz hinunter herrühren, mit Sport. Zunächst Fußball und Judo, dann plötzlich Mädchen, Gedichte und die Gitarre.
Im Erkennen der Trauer um die Liebe, die ihn mit zwölf Jahren gehörig aus dem Gleichgewicht wirft, entdeckt er auch das Leiden, zunächst romantisch verklärt mit Hermann-Hesse-Duktus.
Doch dieses Leiden vermischt mit der Atomangst jener Zeit, mit der Angst vor dem kalten Krieg, der Angst vor Umweltverschmutzung und mit dem Leid der Tiere, dem Leid der Menschen in der dritten Welt und überall. Und vor den hormongelben Augen des Wanderdichters: die Aussichtslosigkeit des Lebens einer Boomer-Generation, die orientierungslos auf betonierten Schienen fährt.
Täger wendet sich ab und verschwindet im Rock und unter den Röcken.
Er schreibt Kladde um Kladde voll und trinkt. Mit fünfzehn nimmt er sich vor, kein Getränk ohne Alkohol mehr zu konsumieren und nie Nein zu irgendeinem Drogenangebot oder einer Auseinandersetzung oder einem Fick zu sagen.
Dieses Vorhaben endet beinahe tödlich.
Trotzdem schreibt er sich nach dem Abitur und dem Zivildienst, welchen er in einer Krankenhaus-Pathologie verbringt, an der WWU in Münster ein.
Er studiert Germanistik, Philosophie und katholische Theologie. Nach einem handgreiflichen Eklat in der theologischen Fakultät der Universität wird der mit Gott hadernde Dichter rausgeworfen. Kurze Zeit später, wir befinden uns in der Mitte der Neunziger Jahre, geht Täger für ein Exerzitium nach Almersfeld in das dortige Franziskanerkloster. Mit dem Schneiden einer kilometerlangen Hecke mittels einer einfachen Rosenschere, kehrt er zur Wissenschaft, zur Literatur und zur Musik zurück. Hier, im Kloster, vertieft er sich in die Ethologie von Leyhausen, den Expressionismus von Trakl und Benn, die Philosophie von Machiavelli, Kant, von Clausewitz, er liest Murakami und Houellebecq, Simmons und Tolkien.
Die nächsten Jahre verbringt der Wanderdichter mit Reisen und tourt mit der Psychedelic-Band "Vamp 7" durch Deutschland, Holland und Frankreich.
Er bewandert die Welt vom Wilden Kaiser zur Sahara, vom Nil zum walisischen Hinterland und ganz bestimmt von da zum Mond. Täger will malochen und jobbt ein ganzes Jahr im Dreischicht-System im Stahlbau Thyssen, dann in einer Lackiererei, in Logistik-Lagern, als Fahrer, als Packer und auf einer Müllkippe. Mit seiner damaligen Ehefrau versucht er sich schließlich in einem häuslichen Leben mit Katzen und Hund, Haus und ehrbaren Berufen. Täger arbeitet als neurologischer Logopäde in Bochum und verfällt im Laufe der Jahre einer immer aussichtsloseren Traurigkeit und einem diffusen Rückenleiden.
Er schreibt und produziert enorme Mengen an Liedern. Unbemerkt und gut versteckt.
Dieses Hadern mit dem Schicksal verlangt folgerichtig nach einer noch tieferen, einer zweiten Zäsur im Leben des Wanderdichters. Nach einem Selbstmordversuch, der zu einer Rückkehr nach Hamm führt, entscheidet sich der Wanderdichter den verlorenen Faden wieder aufzunehmen. Und entscheidet sich zu für die Lebendigkeit.
Sich heillos in seine zukünftige Ehefrau verliebend, irrlichtert Täger völlig haltlos und verwildert durch eine verwitternde Phase, durch Orientierungslosigkeit und versinkt in einem wüsten Durcheinander aus Alkohol und Selbstmitleid. Täger verpuppt sich hierin für die Dauer eines Blinzelns und der Länge einer Odyssee, um an der Seite seiner Frau zu erwachen, plötzlich Stiefvater dreier Kinder. Das diesem Mann, der sich schon in jungen Jahren grundsätzlich der Fortpflanzung verweigerte, ja, in unbedingtem Pessimismus sogar der Evolution entgegenstemmte, ohne sie widerlegen zu können, bis dahin.
Raphael Fellmers jugendliche Entsagung vom Geld inspiriert ihn. Es gibt da eine wachsende Gemeinde von Menschen, die lokal und dorfgemeinschaftlich denken und global wirken, indem sie die Mechanismen der Medienkultur für sich nutzen, Menschen jeder Generation, die Permakultur, alternative Energien und das Teilen in ihr Leben integrieren und achtsam mit der Welt umgehend mit ihr zusammenleben wollen.
Ja, und dann ist da die Friedensbewegung jener Tage, sich teilweise als Mahnwache postulierend, motivierend und irritierend gleichermaßen. Ein Kampf ist entbrannt, an dem sich die Geister scheiden. Plötzlich weiß jeder den anderen zu denunzieren, die Medien, auch die sogenannten „Korrekten oder Linken“, werden jetzt als manipulierender Mainstream und als Verbreiter von Unwahrheiten entlarvt, es gibt keinen Halt in der Öffentlichkeit, der Politik, dem Common Sense. Positionen, Faschismus versus Antifaschismus verschwimmen, es ist die Zeit der Verschwörungstheorien, des Obskuren. Menschen beschäftigen sich ausschließlich mit Menschen und ihrer Menschenkultur. Es ist nahezu unmöglich, sich den Medien entgegenzustellen ohne entwürdigt, gedemütigt und lächerlich gemacht zu werden. Steht man auf – dagegen – dann wird man mit den eigenen Waffen geschlagen, man ist selbst schnell mal Faschist oder Verschwörungstheoretiker und duckt sich lieber weg, weil man nicht zu denen dazugerechnet werden möchte. Die Worte werden einem im Munde umgedreht. Unsicherheit und Selbstzweifel sind das Ergebnis. Stille! Ganz offen und unverblümt schlägt der Fremdenhass große Wellen in Deutschland und generiert Menschenmassen, die auf die Straßen gehen. Dieser Fremdenhass, dieser Faschismus wird als neue Mitte getarnt, die Politik macht mobil, auf subtile Weise wird die Tendenz unterstützt, die Freaks sinnieren über Energie und Energiewesen, alles sei Energie und damit sei alles gleich und die Friedensbewegung wünscht, alle Menschen unter einen Hut kriegen zu müssen. Damit auch rechts und links, das sei der neue Weg.
Täger erkennt in sich eine alte Wut und kann sich, so sehr er die Philosophie der Menschlichkeit, wie sie die Friedensbewegung proklamiert, auch für sich annehmen möchte, nicht mit dem Faschistenpack, arrangieren. Und doch, das weiß der Wanderdichter sicher, gibt es grundsätzliche Rechte für alle Lebewesen auf diesem Planeten, mit dem wir alle endgültig verbunden sind, da muss man achtsam mit umgehen und sich wiederfinden als Teil davon. Da wird mehr verlangt als nur Frieden.
Der Wanderdichter will zurück zur Kunst und breitet die Flügel aus. Er vertieft sich in das Studium der Poesie, der Verslehre, vor allem die Elegie treibt ihn um. Der Schreiberling vertieft sich in die Werke von George, Rilke, Raabe, Novalis, Storm und vor allem Stifter und Hölderlin, liest „Der grüne Heinrich“ und „Wilhelm Meister“, beschäftigt sich mit der Geschichte der deutschen Lyrik und taucht ein in die Welt der hermetischen Lyrik Paul Celans und des Symbolismus und auch den kurzzeitig befreienden Unfug des Dada.
Täger entdeckt Andreas Weber und Hildegart Kurt für sich und ihr Manifest „Lebendigkeit sei“. Ein Einstieg in eine faszinierende Gedankenwelt und ein Zugang zu mehr Wissen. Eine neue Sicht der Biologie zeigt, dass das Phänomen des Fühlens nicht nur das Bewusstsein erklären kann, sondern alle Lebensvorgänge. Eine „Orphische Wissenschaft“ nach Elizabeth Sewell. Hiermit wird der Neodarwinismus, Intelligent Design und die Aufklärung ausgehebelt. „Die Weltherrschaft über die Natur wendet sich gegen das denkende Subjekt selbst.“ (Th. Adorno)
Autopoiesis als Grundprinzip der Entwicklung von Organismen, eine neue und doch vertraute Sicht, dass in der Materie eine Tendenz zur Höherentwicklung, ja, sogar zur Selbsterfahrung versteckt ist. Ein „Prinzip der Fülle“ das aber niemals ohne den Stoff auskommen kann.
Damit reicht es Täger, er ist fertig mit dem Musikbusiness.
Er hat genug von den Verstrickungen und dem ganzen Durcheinander von menschlichen Eitelkeiten, vom Business, vom Konsum, vom Wohnen.
Ein Entschluss wird gefasst und Hamm wird verlassen. Die beiden Musiker trennen sich von ihrem Hab und Gut und ziehen gemeinsam mit ihrer Hündin in einen 1972er Mercedes 508, starten in das Abenteuer einer Europareise und einer gelassenen Neuorientierung, vielleicht mit dem Ziel, ein anderes Lebenskonzept zu finden. Lauscher leben von der Straßenmusik, die ihnen die Unmittelbarkeit der Kunst schenkt. Täger findet zu seinem Leibinstrument, der Waldzither, die zu seinem ständigen Begleiter wird. Auch seine Frau findet zu einem Instrument, dass sie schon als Jugendliche erlernen wollte, die Singende Säge.
Zusammengenommen ergibt das eine Kombination, die einzigartig ist auf den Straßen und Promenaden Europas. Täger covert zum ersten Mal in seinem Leben, findet in der deutschen Volksmusik zur ursprünglichen Kraft der Musik und sammelt Liedgut aus aller Welt. Die Schreibe des Wanderdichters, die Lieder und Gedichte und Geschichten, verändern sich deutlich, vielleicht sogar grundlegend, zeigen neue Interessen, Einsichten und ungewohnte Gefühle auf, beziehen die Welt um ihn herum mit ein, gehen weg von den puren narzisstischen Innenansichten, vom Leiden des Egos und der Trauer um die Vergänglichkeit, hin zur Offenheit. Täger lebt auf, steigt aus seinem Hirn in seinen Körper, lässt Kulturpessimismus und Neid und Gier hinter sich, versöhnt sich mit Gott, den er im Wirken der Natur, in der Natürlichkeit von Allem wahrnimmt. Die Schmerzen der vergangenen Jahrzehnte lassen nach, werden zu Kraft und Liebe und Hoffnung und Mut. Plötzlich ist da viel Platz für neues, intensiv wird Schach gespielt und erlernt, sowie auch die Sprachen der bereisten Länder, in Andalusien wird an einer Jurte mit gebaut, ein Album wird aufgenommen, am Bus wird geschraubt, es werden Kräuter und Pilze gesammelt. Da gibt es ja so vieles zu erlernen und zu erleben. Wie findet man eigentlich Zugang zu Klarträumen? Die Reise hat begonnen.
Das Duo Lauscher - Tine und Dominique. Motte - die Hündin. Michel - der Mercedes 508D. Die sind unterwegs.
Und dann? Und dann ist da ja plötzlich eine ganze Welt vor ihnen und überall um sie herum. Täger fühlt sich und heißt die Welt willkommen.
Bands: | |
1984 – 1986 | Masquerade |
1987 – 1990 | Rovanion |
1990 – 1992 | Benzinis |
1992 – 1993 | Woodland |
1993 – 1994 | Red Orange Glow |
1994 – 2000 | Vamp 7 |
2000 – 2004 | Benzinis |
2004 – 2007 | h.lauscher |
2006 – 2007 | sifr |
2007 – 2011 | oracL |
2011 – 2015 | UR |
2008 – | Lauscher |
2013 – | Das SYSTEM |
2016 – | anderes holz |
2016 – | Kunde Waldzither |
"Als ich LAUSCHER vor etwa anderthalb Jahren kennenlernen durfte, waren mir mehrere Dinge sehr schnell klar:
Erstens sah ich, dass ich es mit Menschen zu tun hatte, die sich ihrer eigenen Sozialisations- und Kulturgeschichte erstaunlich bewusst sind und das sehr direkt und unverfälscht in ihrer Kunst umsetzen.
Dominique M. Täger und Christine Walterscheid sind ein Paar. Gesucht und gefunden - was ihnen die Kraft gibt, zu elementareren Themen überzugehen, als dem der romantischen Partnersuche und Selbstreflektion. Sie stehen mit beiden Füßen in der Moderne, interessiert an und in Dominiques Fall geradezu begeistert von eben auch Cyberwelten. Trotzdem ist die Welt von LAUSCHER bevölkert von naturalistischen Archetypen - durch den klaren Blick auf die dort verankerten Abgründe und Schrecken - erhaben über jeden Eskapismusvorwurf, als ginge es um das Erschließen und urbar machen eines inneren Landes für den heutigen Blickwinkel, setzen sie einen auffliegenden Krähenschwarm dort, wo auch ein Bus um die Ecke biegen könnte, genau in dem Moment, wo ein Kind auf die Straße stolpert und schöpfen tief aus der Vorstellung von einem alten Deutschland.
Was dabei zutage tritt, ist nicht immer schön und selten bequem aber nie indifferent.
Die Musik, die Tine und Dominique als ihr Vehikel sehr bewusst gewählt haben, trägt und stützt diese Inhalte konsequent: ein vehementer Folk, den man sowohl als weird als auch erhaben bezeichnen könnte. Schubladen, gegen die die beiden vermutlich protestieren würden, denn Schubladen mögen sie ganz generell nicht.
Selbstredend polarisieren solche Leute und das ist mehr als gut so. Was aber auch bedeutet, dass dem, der sich auf sie einzulassen vermag, reiche Ernte ins Haus steht und im besten Fall eine heilsame Spiegelung.
Ich für mein Teil entschied ohne lange überlegen zu müssen, dass dieses krude, faszinierende Stück großer Kunst in meinem Haus erscheinen muss.
Auch, das gebe ich offen zu, um mich mit seiner Konsequenz zu schmücken.
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